Klimawandel: Europa schwitzt, Europa dürstet
Der Klimawandel ist ein globales Phänomen und betrifft damit auch Europa heftig. Was tun? Wie gehen die EU und das Europäische Parlament mit dem Klimawandel um?
19,5 Grad Celsius zu Silvester 22/23 in Dresden; 28,7 Grad Celsius Ende Oktober 22 in Müllheim. Rekordtemperaturen und neue Jahrtausend-Ereignisse Jahr für Jahr, im Winter wie im Sommer. Der Sommer 2022 war der wärmste Sommer seit Beginn der Wetter-Aufzeichnungen – und dies gilt nicht nur bezogen auf Deutschland, sondern auch für ganz Europa. Insgesamt schafft es das Jahr 2022 nach Angaben der Copernicus-Klimabeobachtungsstelle auf Platz zwei der wärmsten Jahre der Aufzeichnungs-Geschichte; weltweit betrachtet war 2022 das fünftwärmste Jahr.
Diese Veränderung ist aus wissenschaftlicher Sicht jedenfalls größtenteils auf steigende Treibhausgasemissionen und menschliche Aktivitäten zurückzuführen: Die Durchschnittstemperaturen sind seit der industriellen Revolution immer weiter angestiegen, wobei 2011-2020 das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Aufzeichnungen ist. Neunzehn der zwanzig wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen liegen nach dem Jahr 2000.
Die Durchschnittstemperatur auf unserem Planeten ist heute um 0,95-1,20 Grad Celsius höher als noch zum Ende des 19. Jahrhunderts. Nach Ansicht von Expert*innen ist ein Temperaturanstieg von 2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit die Schwelle, ab der das Risiko gefährlicher und möglicherweise katastrophaler Umweltveränderungen auf der Erde wesentlich höher ist.
Deshalb – jedenfalls, wenn man sich die Beschlüsse z.B. aus dem Pariser Klimaabkommen anschaut – sind sich die Staats- und Regierungschefs der Welt einig, dass das oberste gemeinsame Ziel der Menschheit aktuell sein muss, einen Temperaturanstieg von 2 Grad zu vermeiden und die Erderwärmung bei maximal 1,5 Grad zu stoppen.
Das Erreichen dieser Grenzwerte mag sich für manche wie eine sehr ferne Realität anfühlen, aber faktisch nähern wir uns täglich mehr diesen dramatischen Kipp-Punkten: Klimaforschende gehen davon aus, dass dies zwischen 2030 und den frühen 2050er Jahren der Fall sein wird, wenn die Menschheit nicht umgehend drastische Maßnahmen gegen die weitere Erd-Erwärmung einleitet und umsetzt.
Die EU und der Klimawandel
Der Klimawandel wirkt sich bereits jetzt in unterschiedlicher Weise auf die Länder und Regionen Europas aus. Er führt zum Verlust der biologischen Vielfalt, zu Waldbränden, zu geringeren Ernteerträgen, insgesamt höheren Temperaturen und Extremwetterlagen. Fortschreitender Wassermangel, Trockenheit und Temperaturanstiege haben auch Einflüsse auf die menschliche Gesundheit, so leiden besonders ältere oder beeinträchtigte Menschen bei besonderer Hitze besonders; unerwartete Extremwetter-Ereignisse haben schon zu Toten und Verletzten geführt, erinnert sei beispielweise an die Flut-Katastrophe im Ahrtal 2021.
Die EU spielt eine Schlüsselrolle bei den UN-Klimaverhandlungen, da alle EU-Mitgliedstaaten das Pariser Abkommen unterzeichnet haben, ihre Positionen koordinieren und gemeinsame Emissionsreduktionsziele auf EU-Ebene festlegen. Im Rahmen des Pariser Abkommens verpflichtete sich die EU 2015, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 % gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren. 2021 wurde das Ziel mit auf mindestens 55 % bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050 geändert. Die jüngsten nationalen Projektionen zeigen jedoch nur eine Netto-Emissionsreduzierung von rund 41 % bis 2030 – trotz der guten Vorsätze, die 55% bis 2050 zu erreichen.
Europäischer Green Deal
Das Netto-Null-Emissionsziel ist im Gesetz über den Klimawandel (Climate Change Act) verankert; der sogenannte Europäische Grüne Deal ist der Fahrplan dafür. Der Europäische Grüne Deal zielt darauf ab, Europa bis 2050 zu einem klimaneutralen Kontinent zu machen.
Der im Juli 2021 vorgelegte Fit for 55-Plan der Europäischen Kommission soll die EU in die Lage versetzen, die Ziele des Grünen Deals zu erreichen. Mit dem europäischen Klimagesetz wird die Absenkung der Emissionen um mindestens 55% bis 2030 für die Mitgliedsstaaten rechtlich verpflichtend. Bis 2050 soll die gesamte EU klimaneutral werden. Hierfür sieht der Fit for 55-Plan verschiedene Elemente vor, u.a. eine Überprüfung der Rechtsvorschriften über Energieeffizienz, erneuerbare Energien, das Emissionshandelssystem oder den Mechanismus zur Begrenzung der Kohlenstoffemissionen und die Kohlenstoffemissionen von Neuwagen und Nutzfahrzeugen.
Deutschland und die Klima-Neutralität: Noch ein weiter Weg
Kohlendioxid ist aufgrund seines mit circa 89 Prozent extrem hohen Anteils an den Treibhausgas-Emissionen das wichtigste Treibhausgas; die massive Reduzierung des Ausstoßes von CO2 ist deshalb eine der wichtigsten Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. Deutschland verursachte zuletzt circa 2% der weltweiten CO2-Emissionen.
Deutschland hat eine deutliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 erreicht. Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Land bis 2045 treibhausgasneutral sein. Diesem Ziel ist Deutschland im Jahr 2020 dank der Auswirkungen der Corona-Pandemie vorübergehend näher gekommen, aber es bleibt noch viel zu tun, um eine echte Neutralität zu erreichen.
Es ist vielleicht nicht überraschend, dass China im Jahr 2021 mit einem Anteil von rund 31 Prozent an den globalen CO2-Emissionen der weltweit größte Kohlenstoffemittent war. Doch auch China steht durch das Pariser Klima-Abkommen unter Druck und arbeitet darauf hin, die Menge an ausgestoßenem CO2 in den kommenden Jahrzehnten zu reduzieren.
Klimaneutrale und nachhaltige EU
Die EU arbeitet hin auf eine Kreislaufwirtschaft bis 2050, auf ein nachhaltiges Lebensmittelsystem und auf den Schutz der biologischen Vielfalt. Die Europäische Kommission hat ihren detaillierten Vorschlag zur Finanzierung des Green Deal vorgelegt. Der Investitionsplan für den Europäischen Grünen Deal zielt darauf ab, in den nächsten zehn Jahren mindestens 1000 Milliarden Euro durch öffentliche und private Investitionen aufzubringen.
Es wird erwartet, dass die EU im Rahmen des Fonds für den menschenwürdigen Übergang öffentliche und private Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Euro mobilisiert, die für die Umschulung von Arbeitnehmenden, für die Unterstützung von Unternehmen bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze, für Investitionen in saubere Energie oder für die klimagerechte Sanierung von Gebäuden verwendet werden könnten.
Zur Verringerung der Treibhausgasemissionen der Industrie hat die EU ein Emissionshandelssystem (ETS) eingerichtet. Für andere Sektoren hat sie verbindliche nationale Emissionshöchstgrenzen für die Mitgliedstaaten festgelegt.
Die EU nutzt auch die Kohlenstoffneutralität der Wälder zur Bekämpfung des Klimawandels: Im Jahr 2022 stimmten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments für eine Aktualisierung der Vorschriften zur Entwaldung und Landnutzungsänderung (LULUCF). Ziel ist es, die Kohlenstoffabsorptionskapazität der EU zu verbessern, um bis 2030 eine noch stärkere Reduzierung der Emissionen zu erreichen als das derzeitige Ziel von 55 %.
Das Parlament erwägt derzeit eine Überarbeitung der Regelung, um sie mit den höheren Emissionsreduktionszielen des Grünen Abkommens in Einklang zu bringen.
Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung
Der globale Klimawandel wirkt sich in vielerlei Hinsicht auf Europa aus: Veränderungen der durchschnittlichen und extremen Temperaturen und Niederschläge, wärmere Ozeane, Anstieg des Meeresspiegels und Rückgang der Schnee- und Eisbedeckung an Land und auf See. Dies hat zu einer Reihe von Auswirkungen auf Ökosysteme, sozioökonomische Sektoren und die menschliche Gesundheit geführt.
Die Anpassung an die beobachteten und für die kommenden Jahrzehnte prognostizierten Auswirkungen ist notwendig und ergänzt die globalen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels. Die EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel unterstützt nationale Anpassungsstrategien und andere Maßnahmen in den Ländern, die darauf abzielen, die EU-Politik durchgängig zu berücksichtigen, Finanzmittel bereitzustellen und die Forschung und den Informationsaustausch zu verbessern.